Zervikalgie/Zervikalsyndrom

Überblick

Die Halswirbelsäule bzw. der Nackenbereich ist eine komplexe Konstruktion aus miteinander verbundenen Knochen (den Wirbeln), beweglichen Gelenken, Nerven, Bändern und Muskeln, die alle zusammenwirken, um Halt, Stabilität und Flexibilität zu gewährleisten, vor allem bei der Streckung, Beugung und Drehung. Eine Verletzung irgendeiner dieser Strukturen in der Halswirbelsäule kann zu Nackenschmerzen führen. Die Schmerzen werden oft durch mehr als eine Struktur verursacht, sodass es schwierig ist, die Schmerzursache zu identifizieren.

Bei den chronischen Nackenschmerzen handelt es sich um ein chronisches Schmerzsyndrom der Halswirbelsäule, das mindestens drei Monate anhält. Es ist ein häufiges Problem, welches mit starker Beeinträchtigung der Lebensqualität einhergeht.

Anatomie (Halswirbelsäule)

Die Anatomie des Nackens ist ein gut strukturiertes Gebilde aus Knochen (Wirbeln), Nerven, Muskeln, Bändern und Sehnen. Die Halswirbelsäule besteht aus sieben Wirbeln, die sich im obersten Teil der Wirbelsäule befinden und verhältnismäßig die kleinsten Wirbel sind, welche von starken Bändern und vielen Muskeln gestützt werden. Die Halswirbel verbinden den Kopf mit der Brustwirbelsäule (dem oberen Teil des Rückens). Alle sieben Wirbel sind nummeriert. Der C1, der erste Wirbel der Halswirbelsäule (der am nähesten dem Schädel liegt), wird auch als „Atlas“ bezeichnet. Der C2, der darunter befindliche Wirbel, ist auch als „Axis“ bekannt. Der Buchstabe „C“ steht für „cervikal“.

Anatomie (Atlantookzipitalgelenk)

Dieses Gelenk befindet sich an der Stelle, an der sich der untere Teil des Hinterhauptbeins (Os occipitale / Schädelbasis) mit dem ersten Halswirbel, dem Atlas, verbindet. Diese Region stellt den Durchgangspunkt des Rückenmarks vom Schädel in die Halswirbelsäule dar.

Anatomie (Bandscheiben)

Die Bandscheiben sind Stoßdämpfer, die sich zwischen den Knochen der Wirbelsäule (d.h. den Wirbeln) befinden. Sie tragen zur Erhaltung der Flexibilität des Rückens und gleichzeitig zum Widerstand gegen Kräfte bei und sie ermöglichen die Beugung, Biegung und Drehung der Wirbelsäule. Jede Bandscheibe besteht aus einer dicken äußeren Schicht, die als Annulus fibrosus bzw. Faserring bekannt ist, der den weichen gallertartigen Kern umgibt, der Nucleus pulposus genannt wird.

Anatomie (Facettengelenke)

Die Facettengelenke verbinden die Wirbel der Wirbelsäule miteinander. Sie verleihen den Wirbeln Stabilität, Halt und Beweglichkeit, insbesondere bei der Streckung, Beugung und

Drehung. Jeder Wirbel hat zwei Paare von Facettengelenken. Sie befinden sich im hinteren Abschnitt des Wirbels und aus diesem Grund werden sie auch hintere Wirbelgelenke genannt. Jedes Gelenk bildet sich aus dem unteren Gelenkfortsatz des oberen Wirbels und dem oberen Gelenkfortsatz des darunter liegenden Wirbels. Diese Gelenke sind mit Knorpel überzogen und von einer Kapsel umgeben. Jede Gelenkkapsel enthält viele mikroskopische nozizeptive Fasern (Schmerzrezeptoren), sodass diese Struktur eine potenzielle Schmerzquelle darstellt. Wie andere Körpergelenke auch, sind die Facettengelenke für Entzündung und Degeneration anfällig.

Anatomie (Spinalnerven)

Über die gesamte Länge der Wirbelsäule verläuft ein großer zentraler Kanal, der Wirbelkanal oder Spinalkanal genannt wird. Im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule verläuft in diesem Kanal das Rückenmark. Im Bereich der Lendenwirbelsäule enthält der Kanal ein Bündel von Nervenwurzeln. Öffnungen bzw. Löcher an jeder Seite des Kanals, die Zwischenwirbellöcher bzw. Foramina intervertebralia genannt werden (Austrittstellen zwischen zwei benachbarten Wirbeln), erlauben den Nervenwurzeln von der Wirbelsäule in andere Körperregionen zu gelangen.

Ursachen

Die Nackenschmerzen sind auf eine zugrundeliegende Störung der Gelenke, der Muskeln, der Bandscheiben oder der Nerven im Nacken zurückzuführen. Die anatomischen Strukturen im Nackenbereich sind miteinander verbunden, sodass die Verletzung einer dieser Strukturen die normale Funktion auch anderer Strukturen beeinträchtigen kann. Während die akuten Nackenschmerzen in den meisten Fällen durch eine Muskel-, Bänder- oder Sehnenzerrung verursacht werden, werden die chronischen Nackenschmerzen oft durch eine Verletzung der Facettengelenke und der Bandscheiben in der unteren Halswirbelsäule hervorgerufen.

Häufige Ursachen (Muskelzerrungen und Verstauchungen)

Muskelzerrungen und Verstauchungen im Nacken, die durch eine Schädigung der Muskeln und Bänder hervorgerufen werden, sind die häufigsten Ursachen für Nackenschmerzen. Zerrungen entstehen, wenn ein Muskel überdehnt und gerissen wird, wobei nur der Muskel selbst geschädigt wird. Verstauchungen treten dann auf, wenn die Überdehnung und der Riss auch die Bänder miteinbeziehen, welche die Knochen zusammenhalten. Eine Muskelzerrung und/oder eine Verstauchung eines Bandes im Nacken kann plötzlich auftreten, wie z.B. durch einen Sturz oder eine plötzliche Gewalteinwirkung, die den Kopf zur Seite drückt, oder durch das Halten des Kopfes in einer unnatürlichen Position für lange Zeit, wie bei längeren Gesprächen mit dem Telefon zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt.

Eine Muskelzerrung und/oder eine Verstauchung eines Bandes im Nacken kann sich aber auch langsam im Laufe der Zeit durch wiederholte Bewegungen entwickeln, wie durch schlechte Körperhaltung. Die Überbeanspruchung oder der Nichtgebrauch bestimmter Nackenmuskeln kann zu einer Muskelermüdung oder -schwäche führen, die Schmerzen und Beschwerden im Nacken zur Folge hat. Menschen, die über längere Zeit mit dem Kopf in einer nach vorne oder nach unten gebeugter Haltung sitzen, wie diejenigen, die regelmäßig

am Computer arbeiten, können Muskelverspannungen am Hinterkopf und allmählich Nackenschmerzen bekommen.

Einige Berufsgruppen, wie Friseure und Fahrer, sind aufgrund der Kopfhaltung während der Arbeit besonders anfällig für Nackenschmerzen.

Schließlich kann eine unbequeme oder unnatürliche Schlafposition, die den Nacken belastet, auch zu Nackenschmerzen am Morgen führen. Dies wird häufig als „steifer Hals“ bezeichnet.

Häufige Ursachen (Degenerative Bandscheibenerkrankung)

Eine weitere häufige Ursache für die Entstehung von Nackenschmerzen ist die degenerative Bandscheibenerkrankung. Es handelt sich dabei um eine altersbedingte Erkrankung, die dann auftritt, wenn eine oder mehrere Bandscheiben abgenutzt sind oder Risse/Spalte aufweisen und eine Verschiebung der Wirbel über und unter der entsprechenden Bandscheibe zulassen. Die Knochen können aufeinander reiben und benachbarte Nervenwurzeln komprimieren und dadurch Schmerzen und gegebenenfalls begleitende neurologische Symptome verursachen, wie Kribbeln, Taubheitsgefühl und/oder Schwäche in den Bereichen, die von den betroffenen Nervenwurzeln versorgt werden.

Häufige Ursachen (Zervikaler Bandscheibenvorfall)

Beim zervikalen Bandscheibenvorfall, also beim Bandscheibenvorfall im Halswirbelsäulenbereich, handelt es sich um eine Erkrankung, die den Nacken betrifft und Nackenschmerzen zur Folge haben kann. Der Bandscheibenvorfall kann dazu führen, dass das Material aus dem Inneren der Bandscheibe nach außen tritt und anschließend einen schädlichen Druck auf benachbarte Nervenwurzeln ausübt. Dies kann Schmerzen im Nacken und gegebenenfalls Schmerzen und neurologische Symptome wie Kribbeln, Taubheitsgefühl und/oder Schwäche verursachen, die in die Schulter, den Oberarm und/oder die Hand ausstrahlen.

Häufige Ursachen (Facettensyndrom)

Die Facettenerkrankung oder das Facettensyndrom bezieht sich auf die Schmerzen, die von den entsprechenden Gelenken ausgehen. Die Erkrankungen dieser Gelenke zählen zu den häufigsten rezidivierenden Problemen des Nackens, die von einer leichten bis hin zu einer sehr starken Aktivitätseinschränkung der Patienten führen können.

Häufige Ursachen (Arthrose der Halswirbelsäule/Spondylose)

Die Arthrose der Wirbelsäule tritt als Folge des natürlichen Alterungsprozesses auf. Sie kann jedes Segment der Wirbelsäule befallen und Schmerzen und Beschwerden verursachen, die sich im Laufe der Zeit verschlimmern können. Bei der zervikalen Spondylose handelt es sich um einen Sammelbegriff für die Beschreibung der Schmerzen, welche von degenerativen Erkrankungen der Halswirbelsäule hervorgerufen werden.

Häufige Ursachen (Foramenstenose in der Halswirbelsäule)

Bei der Foramenstenose in der Halswirbelsäule handelt es sich um die häufigste Ursache der zervikalen Radikulopathie. Wenn ein Foramen (Knochenöffnung, durch die die Nervenwurzel den Wirbelkanal verlässt) schmaler und kleiner wird, hat die Nervenwurzel weniger Raum zur Verfügung und kann komprimiert werden. Degenerative Veränderungen im Zusammenhang mit Arthrose und/oder einer degenerativen Bandscheibenerkrankung in der Halswirbelsäule können zur Bildung von Knochenspornen (Osteophyten), zur Verdickung (Ossifikation bzw. Verknöcherung) der Wirbelbänder oder zur Bandscheibenvorwölbung führen. Dies hat dann zur Folge, dass ein schädlicher Druck auf die Nervenwurzel im Foramen intervertebrale (Zwischenwirbelloch) ausgeübt wird.

Häufige Ursachen (Zervikale Spinalstenose)

Eine spinale Stenose ist eine Verengung des Wirbelkanals (des knöchernen Kanals, durch den die Spinalnerven und das Rückenmark verlaufen) oder der Foramina intervertebralia (d.h. der Knochenöffnungen, durch die die Nervenwurzeln aus dem Wirbelkanal austreten). Diese kann zu einer Kompression der Nerven oder des Rückenmarks führen (zervikale Myelopathie). Die Spinalstenose tritt oft als Folge degenerativer Erkrankungen wie Gelenkverschleiß (Arthrose) und/oder degenerativer Veränderung der Bandscheiben auf.

Häufige Ursachen (Zervikale Radikulopathie)

Bei der zervikalen Radikulopathie handelt es sich um eine Erkrankung, bei der eine Störung einer oder mehrerer Nervenwurzeln in der Halswirbelsäule vorliegt. Sie manifestiert sich in der Regel als Schmerz, der vom Nacken entlang der betroffenen Nervenwurzel ausstrahlt. Er kann dabei von Störungen der Sensibilität, der Motorik oder der Reflexe begleitet sein. Jede Erkrankung, bei der die zervikalen Nervenwurzeln in irgendeiner Art und Weise komprimiert oder gereizt werden, kann eine zervikale Radikulopathie verursachen. In den meisten Fällen ist sie die Folge einer degenerativen Erkrankung der Halswirbelsäule, sie kann aber auch als Folge einer akuten Verletzung auftreten.

Häufige Ursachen (Trauma)

Die Schmerzen im Nacken können durch eine direkte Verletzung des Hinterkopfes oder des Nackens verursacht werden. Diese umfassen unter anderem Stürze, Verkehrsunfälle und Sportverletzungen. Aufgrund ihrer Funktion Gewicht zu tragen und gleichzeitig den Kopf zu stützen sind die Facettengelenke der Halswirbelsäule für Verletzungen anfällig. Die weit häufigste Ursache für eine Verletzung der Facettengelenke ist das Schleudertrauma infolge eines Verkehrsunfalls, das unmittelbar nach der Verletzung zu Schmerzen führt. Die Nackenschmerzen, die auf ein Schleudertrauma zurückzuführen sind, können innerhalb von wenigen Tagen abklingen oder jahrelang andauern.

Symptome

Die Nackenschmerzen werden je nach Ursache bzw. Ausprägung der Verletzung unterschiedlich empfunden. Sie können leicht und lediglich unangenehm sein, sie können aber auch so stark sein, dass sie wichtige tägliche Aktivitäten und den Schlaf beeinträchtigen. Die Symptome können plötzlich auftreten oder sich langsam entwickeln und sich im Laufe der Zeit verschlimmern. Sie können kurz andauern, intermittierend auftreten oder dauerhaft persistieren.

Die Nackenschmerzen sind meistens mit Nackensteifigkeit verbunden, die sich in der Regel durch Verspannung und eingeschränkten Bewegungsumfang auszeichnet, insbesondere bei der Bewegung des Kopfes von einer Seite zur anderen.

Sie können auch von Kopfschmerzen begleitet werden. Der zervikogene Kopfschmerz ist eine besondere Art von Kopfschmerz, der auftritt, wenn der Schmerz von einer bestimmten Quelle im Nacken nach oben in den Kopf weitergeleitet wird.

Im Falle einer Spinalstenose und eines zervikalen Bandscheibenvorfalls kann ein betroffener Spinalnerv im Nackenbereich zu Nackenschmerzen führen und womöglich Schmerzen und neurologische Symptome wie Kribbeln, Taubheitsgefühl und/oder Schwäche verursachen, die nach unten in die Schulter, den Oberarm und/oder die Hand ausstrahlen.

Die Schmerzsymptome im Nacken können durch bestimmte Tätigkeiten oder Körperhaltungen zunehmen und bessern sich normalerweise durch Wechsel der Körperposition.

Behandlung

Die Optionen für die Behandlung der Nackenschmerzen hängen von der Schmerzquelle bzw. der Ausprägung der Verletzung ab. Die Behandlung der Nackenschmerzen konzentriert sich auf die Minimierung der Schmerzen, die Stabilisierung der Wirbelsäule und die Verbesserung oder die Erhaltung der Beweglichkeit. Dies kann durch Ruhe, Wärmetherapie, Analgetika bzw. Antiphlogistika, Muskelrelaxantien, manuelle Therapie und Physiotherapie erreicht werden.

Darüber hinaus kann eine Infiltration oder Blockade der Facettengelenke durchgeführt werden, um die Schmerzlokalisation zu bestätigen und die Schmerzen zu behandeln. Wenn die üblichen konservativen Therapiemethoden keine Wirkung aufweisen und der Patient positiv auf die Facettengelenksblockade reagiert hat, dann kommt als nächste Therapieoption die Radiofrequenzdenervation der Facettengelenke in Betracht.

Die zervikale Radikulopathie kann in der Regel ohne Operation durch eine Kombination aus Schmerztherapie, Physiotherapie und therapeutischen Wirbelsäuleninjektionen erfolgreich behandelt werden.

Eine Operation kann empfohlen werden, wenn die konservativen Behandlungsmethoden keine ausreichende Schmerzlinderung verschaffen oder wenn ein schweres neurologisches Defizit vorliegt, wie progressive Muskelschwäche oder Kompression des Rückenmarks in der Halswirbelsäule (zervikale Myelopathie).

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