Sonografie-gestützte Infiltration an HWS und BWS

In den letzten 10 Jahren haben sich ultraschallgesteuerte Injektionen etabliert. An der Wirbelsäule können damit mittlerweile alle Regionen, also HWS, BWS und LWS bedient werden. Dabei können cervical und thorakal die Facettengelenke, die Medial Branches, die Spinalnerven und die Interkostalnerven therapiert werden. Diese Verfahren bieten sich sowohl zu diagnostischen als auch zu therapeutischen Zwecken an.

Schlüsselwörter:
#Ultraschall, #Intervention, #Medial Branch, #Facettengelenk, #Spinalnerv, #Interkostalnerv

Zitierweise:

Legat M: Sonografie-gestützte Infiltration an HWS und BWS. OUP 2019; 8: 516–519

DOI 10.3238/oup.2019.0516–0519

Abstract: During the last 10 years ultrasonic assisted technics for interventions were established. At the spine all regions with zygapophysial joints, medial branches, spinal nervs and intercostal nervs can be treated. They can be used for diagnostic and therapeutic purposes.

Keywords: ultrasonic, intervention, medial branch, facet joint, spinal nerv, intercostal nerv

Citation: Legat M: Ultrasonic guided cervical and thoracal interventions. OUP 2019; 8: 516–519
DOI 10.3238/oup.2019.0516–0519

Schmerz Zentrum Zofingen AG, Zofingen

Einleitung

Seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurden an der Wirbelsäule bildgebungsassistierte interventionelle Verfahren entwickelt. Während anfangs die Fluoroskopie im Vordergrund stand, gewannen in den letzten 15 Jahren zunehmend Sonografie-gesteuerte Verfahren an Bedeutung. Insbesondere bei den Schmerzspezialisten in den USA wurde diese Entwicklung vorangetrieben. Dabei konnten sich Injektionen im Bereich der Lendenwirbelsäule, der BWS und der HWS etablieren.

In diesem Artikel soll speziell auf die Techniken an der HWS und BWS eingegangen werden. Die anatomisch relevanten Strukturen befinden sich nur in einer Tiefe von 2–3 cm, sodass diese sehr gut mit einem hochauflösenden linearen Schallkopf dargestellt werden können.

Bei sämtlichen Eingriffen sind eine Hautdesinfektion, ein steriler Überzug des Transducers und die Applikation eines sterilen Sonogels obligat. Ausnahmsweise kann auch die alleinige Alkoholsprühdesinfektion durchgeführt werden, dann muss
die No-touch-Technik berücksichtigt werden. Zu berücksichtigen ist, dass die Laminierung des Transducers nicht für eine Alkoholdesinfektion vorgesehen ist und hier Ablösungen entstehen können.

Ultraschalltechnik

Entscheidend ist die Ultraschallfrequenz, die gewählt werden muss. Wie bereits geschildert, befinden sich die wichtigen Strukturen an der Halswirbelsäule in einer Tiefe von 2–3 cm, sodass eher hochauflösende Frequenzen zwischen 8 und 12 Megahertz mit einem linearen Schallkopf verwendet werden.

Ein Farb- bzw. Powerdoppler ist von Vorteil, um beim Eingriff die Gefäße an der HWS, insbesondere die Arteria vertebralis und carotis, darstellen zu können. Hier besteht der Vorteil der Sonografie gegenüber der Fluoroskopie, da Gefäß- und Nervenstrukturen umgangen werden können. Nachteilig wirkt sich aus, dass eine versehentliche Punktion nicht dargestellt werden kann, dies ist hingegen unter BV mit Kontrastmittel möglich.

Die zu fokussierende Tiefe wird im Bereich der zu injizierenden Struktur gewählt. Grundsätzlich ist eine sogenannte In-plane-Darstellung zu bevorzugen. Dabei wird die Nadel im Längsverlauf des sonografischen Schnitts geführt. Die Injektionskanüle und die Zielstruktur werden in einer Schicht dargestellt, und die Punktion erfolgt in einer Realtime-Darstellung. Dabei ist der optimale Eintrittspunkt der Nadel von der Tiefe der zu erreichenden Struktur abhängig. Je oberflächiger die Struktur liegt, desto weiter entfernt kann die Punktion erfolgen. Die Nadel wird parallel zum Ultraschallkopf vorgeschoben.

Die Out-of-plane-Technik bezeichnet die Nadelinsertion mittig quer zum Ultraschallkopf auf der Längsseite. Die Nadel kann dabei nur als Punkt dargestellt werden.

Anatomie/Sonoanatomie

Die wichtigsten Strukturen, welche sonografisch an der Halswirbelsäule erreicht werden können, sind neben den Facettengelenken der sogenannte Medial Branch und der Spinalnerv der einzelnen Segmente. An der BWS sind die Facettengelenke und die Interkostalnerven gut darzustellen und zu therapieren. Diese Strukturen und die Lokalisation sollen im Folgenden näher erläutert werden.

In der Longitudinalebene, lateral längs zur Halswirbelsäule, können ventral gut die Processus transversi dargestellt werden. Verschiebt man den Transducerkopf etwas nach dorsal, so werden die Massa lateralis und die sogenannte Facettengelenkslinie sichtbar (Abb. 1). Im Bereich der Anhebungen laufen senkrecht die Facettengelenke und im Bereich der Absenkungen die betreffenden Medial Branches.

In diesem Schnitt kann die Höhe lokalisiert werden. Direkt kranial des Facettengelenks C2/C3 kommt es zu einem steilen Abfall der Gelenklinie, da das nächste Facettengelenk C1/C2 deutlich verschoben zur Mittellinie liegt. Dieser Abfall der Gelenklinie identifiziert die Wirbel C1 und C2.

Die Spinalnerven cervical sind auf den Höhen C5, C6 und C7 am häufigsten betroffen. Der Spinalnerv C8 kann aufgrund der umgebenden ossären Anatomie nur ungenügend dargestellt werden. Eindrucksvoll kann in der Transversalebene auf Höhe des Ringknorpels der Prozessus transversus von C6 gesehen werden, dabei bildet sich dieser mit einem prominenten anterioren und kleineren posterioren Tuberkel aus. Auf Höhe C5 ist der Prozessus transversus kelchartig, während auf Höhe C7 nur der dorsale Tuberkel prominent ist.

Thorakal können die Facetten in Longitudinalebene gut dachziegelartig dargestellt werden. Diese finden sich circa 1 cm lateral der Dornfortsatzreihe. Verschiebt man den Transducer nach lateral um ca. 4–5 cm, so können an der maximalen Curvatur der Costae gut die Interkostalmuskulatur und die Gefäßnervenbündel an der Unterseite der Rippen erkannt werden. Eine intrapleurale Punktion kann hier gut vermieden werden.

Benötigtes Equipment

Ultraschallgerät mit planarem Ultraschallkopf. Frequenz zwischen 8 und 12 Megahertz

Möglichkeiten der Farbdoppler- bzw. Powerdopplersonografie

steriler Ultraschallkopfbezug, steriles Ultraschallgel

Materialien

Nadeln:

Es bieten sich Nadeln mit einer kleinen Gauge an (23G bis 26G), Länge 60–80 mm

Hautdesinfektionsmittel, ohne Jod

sterile Handschuhe

mind. 2 Spritzen mit 2 bzw. 5 ml

Überleitungsröhrchen

venöse Verweilkanüle

physiologisches Monitoring mit Blutdruckmessung, EKG und Pulsoxymetrie

Injektionsmedikamente:

Lokalanästhetika

Bupivacain, 0,25–0,5 %

Ropivacain, 0,2–0,75 %

Lidocain, 1–2 %

Steroide wasserlöslich

Betamethason, 6–18 mg

Triamcinolon, 20–80 mg

Dexamethason, 8 mg

Durchführung der Intervention (Medial Branch cervical)

Der Patient ist auf der Seite gelagert, sodass die zu therapierende Seite oben ist. Das Ultraschallgerät ist gegenüber platziert.

Es erfolgt zunächst die Darstellung der Artikularpfeiler in Längsachse der HWS. Es können sowohl die Facettengelenke (Erhebungen) sowie der Verlauf der Medial Branches in den Absenkungen der lateralen Gelenkpfeiler identifiziert werden. Das Tal des Gelenkpfeilers zeigt sich in der Regel echoreich, ist jedoch etwas kontrastärmer in der Darstellung als die Erhebung mit dem Gelenkspalt.

Die Höhenorientierung erfolgt wie oben geschildert. Bei korrekter Einstellung ist der Weg zum Zielpunkt äußerst kurz.

Die Nadel inseriert nach Identifikation der notwendigen Höhe und des Targets in posteriorer Technik mit Orientierung nach anterior in Out-of-plane-Schallkopfposition die Haut. Danach wird der Ultraschallkopf um 90° in In-plane-Position gebracht. So kann sicher der Gelenkpfeiler erreicht werden.

Dann erfolgt die Injektion des Medikaments, dies zeigt sich als echoarme Differenzierung. Mittels Powerdoppler kann der Flow dargestellt werden.

Die posteriore Technik hat den Vorteil, dass die anterior des Gelenkpfeilers liegenden Strukturen, Spinalnerven und Vertebralarterie, auch bei zu flachem Winkel nicht erreicht werden, da diese tiefer liegen. Bei zu steilem Winkel wird der posteriore Raum erreicht.

Durchführung der Intervention (cervicale Facettengelenke perikapsulär)

Die Facettengelenke selbst können unter Ultraschall auch von dorsal in einer In-plane-Technik erreicht werden. Dabei liegt der Patient ebenfalls auf der Seite. Das Ultraschallgerät ist wiederum gegenüber dem Operateur platziert. Es erfolgen die Darstellung der lateralen Gelenkreihe und die Höhenorientierung wie oben geschildert. Das Target ist dann die Erhöhung in der Gelenkpfeilerreihe bei Längsausrichtung des Sonokopfs zur HWS.

Nach dem das Zielgelenk identifiziert ist, wird der Ultraschallkopf um 90° gedreht, das Zielgelenk zeigt sich relativ oberflächlich und abgerundet im Vergleich zu den tiefer liegenden Gelenkpfeilern (Abb. 3). Der Ultraschallkopf kann dann etwas nach ventral verschoben werden, sodass das Zielgelenk näher an den Nadeleintrittspunkt rückt. Die Nadel wird inseriert und in einer leicht antero-medialen Richtung an den Gelenkspalt geführt.

Durchführung der Intervention (cervicaler Spinalnerv)

Der Patient liegt auf der Seite. Die zu behandelnde Seite ist oben. Das Ultraschallgerät ist wiederum gegenüber dem Operateur platziert. Es erfolgt die Höhenorientierung wie oben geschildert in der Transversalebene in Höhe C6 (Ringknorpel). Das Target ist der Prozessus transversus C6 mit der typischen Darstellung des prominenten anterioren Tuberkel und des kleineren posterioren Fortsatz. Echoarm stellt sich dazwischen der Spinalnerv dar.

Der Targetpoint ist oberhalb des posterioren Tuberkels ca. 5 mm vom Spinalnerv entfernt. Nachdem das Ziel identifiziert ist, wird die Nadel von posterior-lateral inseriert und in einer leicht antero-medialen Richtung über den posterioren Fortsatz geführt. Ist die Zielregion erreicht, kann das Medikament appliziert werden. Es zeigt sich dann eine fast echofreie Zone um den Spinalnerv. Für C5 und C7 wird der Transducer nach kranial bzw. kaudal in der gleichen Ebene verschoben. Bei C7 empfiehlt sich der Doppler um die Arteria vertebralis, welche hier vor dem Spinalnerven frei läuft, eindeutig darzustellen.

Durchführung der Intervention (thorakale Facettengelenke perikapsulär)

Die Facettengelenke selbst können unter Ultraschall von dorsokaudal in einer In-plane-Technik erreicht werden. Dabei ist der Patient in Bauchlage platziert. Es erfolgt die Darstellung der Dornfortsatzreihe in der Longitudinalebene, danach wird der Transducer um 1 cm nach lateral verschoben. Jetzt zeigen sich die Laminae der thorakalen Wirbel als eine dachziegelartige Struktur, wobei sich zwischen den Überlappungen der Gelenkspalt befindet. Hier ist die Zielregion lokalisiert, welche gut von dorsokaudal erreicht werden kann (Abb. 5).

Durchführung der Intervention (Interkostalnerv)

Die Grundeinstellung ist dem zur Punktion der thorakalen Facettengelenke. Allerdings wird der Transducer in der Longitudinalebene um 6–8 cm nach lateral verschoben, bis die maximale Konvexität der Costae erreicht wird. Hier können sowohl die Rippen, die Interkostalmuskulatur sowie auch Pleura und Lungengewebe gut dargestellt werden. Die Zielstruktur ist an der kaudalen Cortikalis der Rippen lokalisiert. Die Nadel wird bis auf circa 5 mm Entfernung in diese Region in In-plane-Technik vorgeschoben, damit kann sicher eine Punktion des Gefäßnervenbündels (häufigste Komplikation aller Interventionen) vermieden werden (Abb. 6). Ein deutliches Enhancement um das Gefäßnervenbündel kann nun erreicht werden.

Komplikationsmöglichkeiten

Betreffend die Injektion an die cervicalen Facettengelenke, die Medial Branches und die Spinalnerven besteht ein geringes Risiko für eine Nervenverletzung bzw. Hämatombildung. Für letztere Indikation kann mit der Sonografietechnik eine Punktion der Art. spinalis vermieden werden. Infekte wurden durch den Autor noch nie beobachtet.

Thorakal sind unter Einhaltung und eindeutigen Darstellung der relevanten anatomischen Strukturen Pleura- und Gefäßnervenbündelpunktionen zu vermeiden.

Evidenzen

Seitens der Halswirbelsäule liegen insbesondere für die Injektion am Medial Branch gute RCT-Studien vor. Hervorzuheben ist hier die Studie  von Siegenthaler et al., in welcher auf sämtlichen Höhen der Intervention, einschließlich des 3. Occiptalnerven, ein randomisierter Vergleich zwischen Ultraschall und Fluoroskopie durchgeführt wurde. Es konnte dabei eine gleiche Erfolgsquote bei geringerer Performancezeit für die Ultraschallintervention feststellt werden.

Thonnagith zeigte 2016 in einem Review auf, dass eine hohe Trefferquote bei sämtlichen Medial Branches, ausschließlich C7, erzielt werden kann.

In RCTs konnte bezüglich der Nervenwurzelinjektion eine gleich gute Wirksamkeit der Sonografie-gesteuerten Technik verglichen mit der bildwandlergesteuerten Technik nachgewiesen werden.

Thorakal liegen wenige Studien vor, jedoch konnte beispielsweise in einer Studie an Kadavern eine gute Machbarkeit der Facetteninfiltrationen gezeigt werden.